Tagungsticker 10.05.2022 Fachtagung

Herzlich Willkommen beim Tagungsticker der Fachtagung am Dienstag, 10.05.2022

 

Personenstandswesen im Wandel – Namensrecht, Geschlechteridentität, Privatscheidungen, Registermodernisierung, elektronische Sammelakte und vieles mehr fordern die Standesbeamtinnen und Standesbeamten heraus

 

Gerald Wucherpfennig, Bürgermeister der Gemeinde Bodenfelde, spricht über die „Stellung des Standesbeamten – Handreichung für die Praxis.“ In dieser am 01.05.2022 erschienen Publikation wird ein Baukastensystem der Aufgaben im Standesamt angeboten, die zur Bewertungshilfe gegenüber Organisationseinheiten dienen kann (mehr…).

 

Dagmar Heckel und Silvia Hetzer kündigen mit einem Gedicht den Abschiedsvortrag von Michael Rodenburger, Standesamt Coburg, an.

 

Anschließend geht Michael Rodenburger in einem kurzweiligen Vortrag auf das deutsch-französische Verhältnis im Allgemeinen und in Bezug auf seinen eigenen familiären Hintergrund ein und spricht ergänzend auch die interkommunale Zusammenarbeit zwischen der kreisfreien Stadt Coburg und ihrem Umland im Bereich des Personenstandswesens an. Er wird anschließend vom Vorsitzenden des Fachverbandes Mathias Müller für seine langjährige Tätigkeit als Fachberater und Regierungsbeauftragter für Oberfranken geehrt und zum Ehrenmitglied des Verbandes ernannt.

 

Prof. Dr. Anatol Dutta, M Jur (Oxford), referiert anschließend zum Thema „Geschlechteridentität und Personenstandsrecht – neue Aufgaben für das Standesamt?“. Das deutsche Recht definierte bisher nicht, welche Merkmale das Geschlecht eigentlich ausmacht. Zwar wurde von Mann und Frau gesprochen, ohne aber darauf einzugehen, was einen Mann oder eine Frau eigentlich ausmacht. Der Referent geht anschließend in einem Abriss auf die gesetzlichen Entwicklungen ein, beginnend mit dem Transsexuellengesetz in den 1980er Jahren über die Möglichkeit, das Geschlechtsmerkmal im Geburtseintrag leer zu lassen bis hin zum neu eingeführten § 45b PStG, der es intersexuellen Menschen ermöglicht, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt Vornamen und Geschlecht neu zu bestimmen. Da das Familienrecht überwiegend noch binär geprägt ist, führt diese Unterscheidung nun zu Folgeproblemen, zum Beispiel im Abstammungsrecht. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht die Verabschiedung eines Selbstbestimmungsgesetzes vor, das die Änderung des Geschlechtseintrags durch Selbstauskunft möglich machen soll. Allerdings sollte er dabei auch die Fragen der Folgeprobleme, z.B. im Abstammungsrecht, im Auge haben und in diesem Zuge regeln (mehr…).

 

Fritz Bühringer, stellvertretender Vorsitzender des österreichischen Fachausschusses, erläutert die Änderungen im österreichischen Personenstandsrecht nach Einführung des elektronischen Personenstandsregisters. Das neue Personenstandsgesetz in Österreich mit Einführung des elektronischen Registers erfolgte am 01.11.2014. In Österreich gibt es als digitale Register das Zentrale Melderegister (ZMR), das Zentrale Personenstandsregister (ZPR), das Zentrale Staatsangehörigkeitsregister (ZSR) und das Ergänzungsregister natürlicher Personen (ERnP). Änderungen, die z.B. im ZPR eingetragen wurden, schlagen automatisch auf andere Systeme wie z.B. das ZMR durch.  Seit dem 01.04.2017 gibt es in Österreich „volldynamische Urkunden“; das bedeutet, dass sich zum Beispiel eine Namensänderung (z.B. ein Ehename) auch in der Geburtsurkunde niederschlägt. Gleichzeitig wurden die personenstandsrechtlichen Vorschriften dahingehend geändert, dass die Ausstellung von Urkunden, die Anmeldung einer Eheschließung usw. bei jedem Standesamt möglich ist. Die auf der Urkunde angegebene Nummer stellt dabei nicht mehr eine Registernummer im klassischen Sinne dar, sondern ist eine Vorgangsnummer, die sich bei jedem neuen Vorgang erhöht. Auch können die Urkunden auf einen bestimmten Zeitpunkt hin ausgestellt werden, um einen Nachweis z.B. einer früheren Namensführung führen zu können (mehr…).

 

Torsten Hensel, Standesamtsaufsicht der Landeshauptstadt München, referiert zum Abschluss des Tages über den Umgang mit Personen ohne nachgewiesene Identität. So ist beispielsweise eine Einbürgerung gem. § 10 StAG nur möglich, wenn die Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind. Das BVerwG hat in einem Urteil ein vierstufiges Modell zur Klärung der Identität entwickelt, die abhängig von der Art und Qualität der vorgelegten Unterlagen die Identität einer Person sichern soll. Allerdings entfaltet ein beweiskräftiger Personenstandseintrag im Einbürgerungsverfahren keine Bindungswirkung. Im Standesamt ist die Ausgangslage der Beschluss des BGH vom 17.05.2017 (StAZ 2017, 303) demzufolge die Identität einer einzutragenden Person vom Standesamt bzw. Gericht eigenständig zu prüfen ist. Das OLG Nürnberg (StAZ 2021, 273) hat ferner festgelegt, dass u.a. die Angabe eines abweichenden Geburtsdatums schwerwiegend ist. Zur Bindungswirkung von Eintragungen anderer Standesämter verweist der Referent auf den Aufsatz von Prof. Helms in StAZ 2021, 268 und geht zur Frage der Namensführung von Personen mit ungeklärter Identität auch auf den Beschluss des BGH vom 03.02.2021 in StAZ 2021, 171 ein (mehr…).