Tagungsticker 09.05.2017

Verbandsversammlung 2017 – Ausländische Gäste und Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten grüßen die bayerischen Standesbeamten – Bayerische Fachberaterinnen und Fachberater werden geehrt

 

Nach Eröffnung der Verbandsversammlung durch den 1. Vorsitzenden Klaus Holub richtete Roland Peterhans, Präsident des Schweizerischen Verbandes für Zivilstandswesen auch im Namen des Slowenischen Fachverbandes ein Grußwort an die Versammlung. Manfred Neumann, Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten, bedankte sich auch im Namen der anwesenden Repräsentanten der Fachverbände sowie auch des Verlags für Standesamtswesen für die Einladung. Lobend erwähnte er im Rahmen seiner Ausführungen insbesondere die Dozentinnen und Dozenten aus dem bayerischen Landesverband, die überwiegend schon seit Jahren ihre fundierten Kenntnisse an der Akademie für Personenstandswesen in Bad Salzschlirf an die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer aus den Standesämtern ganz Deutschlands vermitteln. Er nutzte die Gelegenheit, Dagmar Heckel, 2. Vorsitzende des bayerischen Fachverbands, sowie dem Fachberater und Regierungsbeauftragten für den Regierungsbezirk Mittelfranken, Reinhold Vogt, für ihre besonderen Verdienste um den Bundesverband der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten und das Personenstandswesen mit der silbernen Ehrennadel des Bundesverbandes auszuzeichnen.

 

In seinen Geschäftsberichten informierte der 1. Vorsitzende über die Aktivitäten des Fachverbandes in den maßgeblichen Berichtsjahren. Nach dem Kassenbericht, dem Bericht der Rechnungsprüfer mit Entlastung des Vorstandes und der anschließenden Wahl bzw. Wiederwahl der Rechnungsprüfer enthielt die Tagesordnung noch ein besonderes Highlight. In dankbarer Anerkennung ihrer großen Verdienste um die Belange und die Aus- und Fortbildung der Standesbeamtinnen und Standesbeamten in Bayern ernannte der 1. Vorsitzende die Fachberaterin Inge Westermann, Aufsichtsbeamtin beim Landratsamt Neustadt a.d.Waldnaab, zum Ehrenmitglied. Anschließend überraschte er noch zwei Fachberater, die trotz ihres 60. bzw. 55. Geburtstags an der Tagung teilnahmen, mit einem kleinen Geschenk.

 

Abschließend informiert Klaus Holub die Versammlung, dass alle Vorträge der Tagung wieder in der legendären „blauen Broschüre“ veröffentlicht werden, die auf Kosten des Verbandes erstellt und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nach Fertigstellung zugehen wird. Zudem überraschte er die Versammlung mit einer Neuauflage und Fortsetzung des Bandes mit den Aufgaben und Lösungshinweisen der Dienstbesprechungen 2011 bis 2016. Die Aufgabenbroschüren werden ab sofort im Foyer verteilt, wobei jedem Standesamt ein Exemplar kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

 

 

Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen – Ist § 107 FamFG noch zeitgemäß?

Prof. Dr. Anatol Dutta, M.Jur. (Oxford), Ludwig-Maximilians-Universität München

 

§ 107 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten derfreiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG – stellt eine Ausnahmevorschrift im deutschen internationalenZivilverfahrensrecht dar.

 

Während Entscheidungen ausländischer Gerichte in Deutschland grundsätzlich automatischanerkannt werden, soweit keine Anerkennungsversagungsgründe vorliegen, setzt diese Vorschriftbei ausländischen Entscheidungen in bestimmten Ehesachen – vor allem bei Scheidungen – einbesonderes Anerkennungsverfahren voraus.

Erst wenn dieses Verfahren erfolgreich durchgeführt wurde und die zuständigeLandesjustizver-waltung die Anerkennungsfähigkeit festgestellt hat, werden die Wirkungen der betreffenden ausländischen Scheidung ins Inland erstreckt.

 

Faktisch gilt § 107 FamFG allerdings nur bei Scheidungen aus Drittstaaten. Innerhalb derEuropäischen Union wird die Vorschrift durch die Brüssel-IIa-Verordnung überlagert – eineuropäischer Rechtsakt, der ebenfalls kein zwingendes Anerkennungsverfahren fürEntscheidungen in Ehesachen vorsieht.

 

Der Vortrag möchte nicht nur auf einige der zahlreichen praktischen Probleme eingehen, die sichbei der Anwendung der Vorschrift stellen, sondern vor allem soll auch die grundsätzliche Frageaufgeworfen werden, ob das Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG noch zeitgemäß ist.

 

 

Umgang mit Ortsbezeichnungen – Ein historischer Streifzug

Walter Königbauer, Regierungsdirektor, Bayer. Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr

Darf man für ehemals deutschsprachige Orte noch ihren alten Namen verwenden?

 

Im gesellschaftlichen Kontext eine „Gewissensfrage“ (siehe Süddeutsche Zeitung Magazin14/2013), wird es für Standesämter, aber auch Melde- und Passbehörden schnell zu einemrechtlichen Problem, wenn „historische“ Geburts- oder Heiratsorte in Register oder Ausweisdokumente einzutragen sind. Ganz abgesehen von der Reaktion eines Betroffenen, der schwarz auf weiß zu lesen hat, beispielsweise 1943 statt in Breslau in Wrocław, Polen, geboren zu sein.

 

Für Orte im Ausland ist bei der Beurkundung von Personenstandsfällen die im betreffenden Staatübliche Bezeichnung zu verwenden und vorrangig eine nähere Kennzeichnung in Form einer Hinzufügung des Verwaltungsbezirks oder einer geographischen Bezeichnung (z. B. Gebirge, Fluss). Eine im Inland übliche deutsche Bezeichnung ist stets vorrangig. Keine Vorgabe gibt es zuder Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Eintragung des Ortes abzustellen ist (z. B. Zeitpunkt der Geburt oder Zeitpunkt des aktuellen Personenstandsfalles). Die verschiedenen Möglichkeiten für die Eintragung des Ortes eröffnen einen Gestaltungsspielraum. Dabei gilt die Vorgabe, dass Orteso einzutragen sind, dass sie später jederzeit ohne Schwierigkeiten ermittelt werden können.

 

Ein flexibler Umgang mit Ortsbezeichnungen setzt in jedem Fall fundierte historische Kenntnisse voraus. Nur dann können die Standesbeamtinnen und Standesbeamten bei ihrer Beurkundungstätigkeit in dieser oftmals höchst emotionalen Frage berechtigte Anliegen im Allgemeinen auch angemessen berücksichtigen.

 

Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen gibt der Vortrag in einer Zeitreise einen historischen Überblick über die jüngere deutsche Geschichte. Der Bogen spannt sich über deutsche Siedlungsgebiete in Mittel- und Südosteuropa bis hin zu den Ereignissen im 20.Jahrhundert mit den damit verbundenen staatsangehörigkeitsrechtlichen Auswirkungen, die für die Arbeit der Standesämter ebenfalls rechtlich relevant sind. Man denke nur an die Namensführung.

 

 

Das Familienrecht muslimischer Länder am Beispiel Syriens

Dr. Lena-Maria Möller, Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg

 

Das religiöse Familienrecht muslimischer Länder beschäftigt Standesbeamte bereits seitgeraumer Zeit. Durch den inzwischen sechs Jahre anhaltenden syrischen Bürgerkrieg und die daraus resultierende Flucht zahlreicher Staatsangehöriger dieses mehrheitlich muslimischen Landes nach Deutschland ist das islamisch geprägte Familienrecht Syriens nun aber verstärkt inden Fokus der standesamtlichen Praxis gerückt.

 

Obgleich die Arabische Republik Syrien in ihrer politischen Ausrichtung säkular orientiert ist und, im Gegensatz zu der Mehrzahl der Länder in der Region, den Islam nicht als Staatsreligion bestimmt, ist das Familienrecht als Erbe der Rechtstradition des Osmanischen Reiches auch weiterhin interreligiös gespalten. Die Mehrheit der Syrer unterliegt als Muslime dabei einem in denfrühen 1950er Jahren verabschiedeten Personalstatutsgesetz, das 1975, 2003 und 2010geringfügig novelliert wurde. Für die weiteren Glaubensgemeinschaften der Christen, Drusen und Juden existieren zudem eigene Regelungen.

 

Ziel des Vortrages ist, in das auf Muslime anwendbare Familienrecht Syriens einzuführen und dabei insbesondere aufzuzeigen, welche Gemeinsamkeiten mit weiteren islamisch geprägten Familienrechtssystemen in der Region bestehen und welche (für die standesamtliche Arbeitrelevante) Besonderheiten das syrische Familienrecht aufweist. Neben den Kernbereichen des Familienrechts, dem Ehe-, Scheidungs-, und Kindschaftsrecht, soll zudem ein kurzer Blick auf das syrische Namensrecht geworfen werden.

 

In einem zweiten Schritt soll sodann aufgezeigt werden, welche Veränderungen durch den Bürgerkriegszustand und den Verlust staatlicher Kontrolle in Teilgebieten Syriens zu beobachten sind. Dabei soll insbesondere auch der Frage nach der Wirksamkeit von Ehen, die außerhalb des vom syrischen Regime kontrollierten Kerngebiet Syriens geschlossen wurden, nachgegangen werden. Abschließend wird mit einem kurzen Blick auf das Internationale Privatrecht der Anrainerstaaten Syriens überprüft, welche Wirkung außerhalb Syriens entstandenen Statusverhältnissen zukommt.

 

 

Praktische Erfahrungen im Umgang mit Geburtsbeurkundungen für Flüchtlingsfamilien

Silvia Hetzer, Verwaltungsamtsrätin, Standesamt Würzburg

 

In allen Bereichen der standesamtlichen Arbeit kommen Standesbeamtinnen und Standesbeamte immer häufiger in Berührung mit Flüchtlingsfamilien.

Besonders bei der Beurkundung von Geburten stellen sich vielfältige Probleme durch ungeklärte Identitäten der Eltern, mangelnde Nachweise zur Eheschließung und unklare Abstammungsverhältnisse.

Es besteht ein hoher zeitlicher Druck zur Beurkundung der Geburt, denn diese ist Voraussetzung für die Beantragung von Leistungen und das Handeln anderer Stellen wie beispielsweise Melde- und Ausländerbehörden.

 

Doch nicht nur fehlende oder mangelhafte Dokumente erschweren die Arbeit der Standesbeamtinnen und Standesbeamten, sondern insbesondere auch die Sprachbarriere und die kulturelle Verschiedenheit.

 

In diesem Vortrag wird zunächst der Begriff „Flüchtling“ differenziert und einige Pass- und Passersatzpiere werden dargestellt. Immer wiederkehrende Schwierigkeiten bei der Beurteilung vorgelegter Urkunden und Dokumente werden aufgezeigt und abstammungs- und namensrechtliche Probleme anhand von Beispielfällen angesprochen.

 

Der Vortrag soll anhand von Beispielen aus der Praxis auf die Schwierigkeiten aufmerksam machen, die bei der Geburtsbeurkundung von Flüchtlingskindern auftreten und mögliche Lösungswege zeigen, ohne jedoch auf die in den Standesämtern ohnehin bekannten rechtlichen Grundlagen näher einzugehen.

 

 

Objektive Angleichung nach Eingangsstatutenwechsel

Prof. Dr. Dennis Solomon, LL.M. (Berkeley), Universität Passau

 

Nach Art. 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuches – EGBGB unterliegt der Name einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört. Wird ein Ausländer eingebürgert, so führt dies folglich zu einem Statutenwechsel:

 

Der nach ausländischem Recht erworbene und geführte Name unterliegt fortan deutschem Recht und seinen Bindungen. Zu den unverzichtbaren Grundsätzen des deutschen Namensrechtsgehört insbesondere, dass jede Person notwendig sowohl einen Vor- als auch einen Familiennamen führen muss. Dies führt zu Reibungen im Verhältnis zu Staaten, in denen zusätzlich noch Zwischennamen geführt werden oder in denen lediglich mehrere gleichrangige Eigennamen oder etwa auch nur ein einziger Eigenname geführt werden.

 

Für diese Fälle gewährt Art. 47 EGBGB dem Namensträger die Möglichkeit, über eine Erklärung eine Angleichung an die Erfordernisse des neuen, deutschen, Namensstatuts herbeizuführen. Auch ohne eine solche Erklärung muss aber zwangsläufig eine Angleichung erfolgen, soweit die unveränderte Namensführung materiell oder zumindest strukturell mit dem deutschen Namensrecht unvereinbar ist. Der Vortrag setzt sich mit den Problemen auseinander, die speziell im Zusammenhang mit einer solchen „Zwangsangleichung“ auftreten:

Welche Stelle ist berufen, über die konkrete Form der Angleichung zu entscheiden?

Welche Vorgänge (Registereintragungen, Ausstellung von Ausweispapieren) lassen sich überhaupt als objektive Angleichungsakte verstehen?

Nach welchen Kriterien ist eine objektive Angleichung vorzunehmen (insbesondere bei Sortiererklärungen)?

Wie verhält sich eine objektive Angleichung zu einer etwaigen nachfolgenden Erklärung durch den Namensträger gemäß Art. 47 EGBGB?

Wie beurteilt sich das weitere Schicksal eines Namensbestandteils ausländischer Prägung, der unter deutschem Recht fortgeführt wird (Vatersnamen)?

Wie fügen sich die diesbezüglichen Grundsätze in die allgemeinen Prinzipien der Angleichung im Internationalen Privatrecht ein?